Die ePA im Überblick – und welche Entscheidungsspielräume Sie als Privatversicherter haben
Die elektronische Patientenakte für Privatversicherte soll das Gesundheitswesen moderner, vernetzter und effizienter machen. Befunde, Diagnosen und Medikationspläne sollen zentral gespeichert und bei Bedarf schnell verfügbar sein. Auch Privatversicherte erhalten nach und nach Zugang zu dieser Infrastruktur – allerdings auf anderen rechtlichen Grundlagen als gesetzlich Versicherte.
Was auf den ersten Blick nach digitalem Komfort klingt, wirft bei genauerem Hinsehen auch Fragen auf: Wer kontrolliert den Zugriff? Was passiert mit den Daten? Und wie freiwillig ist die Teilnahme wirklich?
Was ist die ePA – und wie funktioniert der Zugang?
Die ePA ist ein gesetzlich geregelter, zentral gespeicherter Datenspeicher für Ihre Gesundheitsinformationen. Der Zugriff erfolgt nicht über irgendeine App, sondern über die App Ihrer privaten Krankenversicherung (PKV), sofern diese eine ePA-fähige Anwendung anbietet. Dort können Sie medizinische Dokumente einsehen, hochladen und den Zugriff für Ärztinnen und Ärzte gezielt steuern.
Wichtig: Die App ist lediglich ein Werkzeug – die Daten selbst liegen sicher verschlüsselt auf Servern innerhalb der sogenannten Telematikinfrastruktur (TI).
Zur Nutzung benötigen Sie eine Krankenversichertennummer (KVNR), die Ihre PKV für Sie beantragt. Diese Nummer dient der eindeutigen Identifikation im digitalen Gesundheitssystem – vergleichbar mit einer digitalen Gesundheits-ID.
Chancen der ePA – Vernetzung, Komfort und Versorgungssicherheit
Die Vorteile der ePA sind vielfältig:
- Zentrale Übersicht: Arztbriefe, Laborbefunde und Medikationslisten sind digital zugänglich – kein Papierchaos mehr.
- Bessere Koordination: Behandelnde Ärztinnen und Ärzte erhalten Einblick in relevante Informationen, was Doppeluntersuchungen oder fehlerhafte Medikationskombinationen vermeiden kann.
- Medikationsübersicht: Alle per E-Rezept abgegebenen Medikamente werden in der Medikationsliste automatisch dokumentiert.
- Vertretungsfunktion: Sie können Vertrauenspersonen berechtigen, Ihre ePA im Bedarfsfall mitzuverwalten – etwa bei Pflegebedürftigkeit.
Kritische Perspektive – Kontrolle, Sicherheit und Nutzungsdruck
So sinnvoll die ePA auch erscheinen mag – nicht jeder ist automatisch mit der vollständigen Digitalisierung medizinischer Daten einverstanden – und das aus guten Gründen. Kritische Aspekte sind:
- Technische Zugriffe: Zwar müssen Sie jeden Zugriff freigeben, doch die Prozesse sind technisch komplex – Missverständnisse oder unbeabsichtigte Freigaben sind möglich.
- Dokumentenhoheit: Sie können zwar Dokumente verbergen oder löschen – aber nur, wenn Sie aktiv eingreifen und wissen, wie.
- Pflicht durch Umstände: In bestimmten Fällen – z. B. bei geplanten Implantaten – kann die KVNR faktisch zur Voraussetzung für eine zeitgerechte Behandlung werden. Ohne sie kann es zu Verzögerungen kommen, da Kliniken zur Meldung an das Implantateregister verpflichtet sind.
Datennutzung durch Dritte – Forschung ja, Kontrolle fraglich
Neben dem Zugriff durch medizinisches Personal steht perspektivisch auch die Nutzung Ihrer Gesundheitsdaten für Forschungszwecke im Raum. Gesundheitsministerien und Behörden planen, pseudonymisierte Daten aus der ePA für medizinische Studien und industrielle Forschung – auch durch Pharmaunternehmen – zugänglich zu machen.
Obwohl dies dem medizinischen Fortschritt dienen kann, gibt es erhebliche Bedenken:
- Widerspruch (Opt-out) nötig: Die Datenfreigabe erfolgt automatisch, sofern Sie nicht aktiv widersprechen – ein Verfahren, das nicht in die App eingebunden ist und vielen gar nicht bekannt ist.
- Begrenzte Anonymität: Die versprochene Anonymisierung ist nur eingeschränkt wirksam. Durch die Kombination verschiedener Datenpunkte (Alter, Region, Diagnosen) sind Rückschlüsse auf einzelne Personen oft möglich – insbesondere bei seltenen Krankheiten.
- Fehlende Transparenz: Viele Nutzer sind sich der möglichen Weiterverwertung ihrer Daten nicht bewusst – obwohl sie glauben, nur den behandelnden Arzt zu berechtigen.
Pflicht oder Kür? – Der entscheidende Unterschied für Privatversicherte
Als Privatversicherte*r genießen Sie im Vergleich zu gesetzlich Versicherten größere Entscheidungsfreiheit. Das zeigt ein Blick auf die wichtigsten Unterschiede:
Merkmal | Gesetzlich Versicherte | Privatversicherte |
---|---|---|
ePA automatisch eingerichtet | ✅ Ja (seit 2025) | ❌ Nein |
Widerspruch zur Nutzung | ⚠️ Eingeschränkt | ✅ Möglich, umfassend |
Verpflichtung zur KVNR | ✅ Ja (automatisch) | ❌ Nein, aber faktisch notwendig |
Zugriff durch Ärzte | Teilweise automatisch | Nur bei aktiver Freigabe |
Forschung und Datenweitergabe | Automatisch, Widerspruch erforderlich | Gleich, aber freiwilliger Einstiegspunkt (KVNR nötig) |
Diese Gegenüberstellung zeigt: Privatversicherte haben in der Praxis aktuell mehr Einfluss darauf, ob und wie stark sie sich digital vernetzen – und können informierter entscheiden, wie weit sie gehen möchten.
Die elektronische Patientenakte (ePA) für gesetzlich Versicherte.
Warum Sie die KVNR trotzdem beantragen sollten
Auch wenn Sie der Nutzung der ePA skeptisch gegenüberstehen, empfiehlt es sich, die Krankenversichertennummer zu beantragen. Sie ist der technische Schlüssel zur digitalen Welt des Gesundheitswesens – nicht nur für die ePA, sondern auch für E-Rezepte, Medikationspläne und Registerpflichten.
Sie behalten dadurch weiterhin Ihre Entscheidungsfreiheit. Ob, wann und wie intensiv Sie Ihre ePA überhaupt aktivieren und nutzen, bleibt weiterhin Ihre persönliche Wahl.
Wichtig zu wissen!
Es ist technisch ausgeschlossen, dass ihre Private Krankenversichung die Daten in Ihrer elektronischen Patientenakte einsehen kann!!!
Fazit: Digitalisierung mit Augenmaß – und mit Entscheidungsspielraum
Die ePA kann ein hilfreiches Werkzeug für eine moderne, vernetzte Medizin sein – vorausgesetzt, sie wird verantwortungsvoll genutzt. Als Privatversicherter ist man in einer komfortablen Position: Man kann teilnehmen, muss aber nicht.
Ich würde mit einer aktiven Nutzung der ePA mindestens so lange warten, bis die „Kinderkrankheiten“ des Systems behoben sind – sowohl auf technischer Ebene als auch in Bezug auf Datenschutz, Transparenz und die Frage, wie mit sensiblen Gesundheitsdaten verantwortungsvoll umgegangen wird.
Organisationen wie der Chaos Computer Club haben bereits mehrfach auf Schwächen in der Telematikinfrastruktur hingewiesen – etwa auf unsichere Schnittstellen, lückenhafte Zugriffskontrollen und die Gefahr, dass selbst pseudonymisierte Daten durch Kombination verschiedener Merkmale wieder einzelnen Personen zugeordnet werden können. Angesichts solcher Warnungen erscheint eine gewisse Zurückhaltung bei der aktiven Nutzung nachvollziehbar – zumindest solange, bis zentrale Fragen und die grundsätzlichen Probleme geklärt sind.
Aus meiner Sicht sollten Sie dennoch Ihre KVNR beantragen, um sich alle Wege offen zu halten – und danach bewusst zu entscheiden, welche digitalen Möglichkeiten Sie nutzen möchten. Zwischen blindem Vertrauen und genereller Ablehnung liegt – wie so oft – ein Mittelweg: informiert, abgewogen und selbstbestimmt.
Ein ganz praktischer Grund dafür ist, dass Sie die KVNR spätestens dann benötigen, wenn ein Eingriff wie ein Implantat vorgenommen werden soll, der gesetzlich meldepflichtig ist. Kliniken dürfen solche Eingriffe nur dann korrekt abrechnen, wenn eine gültige KVNR vorhanden ist – und derzeit ist nicht verlässlich abschätzbar, wie schnell diese Nummer im Einzelfall ausgestellt werden kann. Ob es dann Ausnahmeregelungen gibt oder nicht, ist unklar – im ungünstigsten Fall könnte eine notwendige medizinische Versorgung verzögert werden.
Schon allein aus diesem praktischen Vorsorgegedanken heraus ist es sinnvoll, sich frühzeitig eine KVNR ausstellen zu lassen – selbst wenn man die ePA aktuell nicht nutzen möchte und sich auch künftig nicht sicher ist, ob man sie aktiv einsetzen will.